10.08.2023 | Process Innovation
Pumpen – aber natürlich auch Verdichter – sind energiehungrige Aggregate: Schätzungen gehen davon aus, dass rund ein Viertel des Industriestroms für das Fördern von Fluiden eingesetzt wird. Auf die Stromproduktion der Welt bezogen sind es immer noch 10 % – jedes zehnte Kraftwerk arbeitet also nur, um flüssige Medien von A nach B zu transportieren.
Das ist nicht immer effizient: Vor allem falsch dimensionierte, verschlissene oder ungeregelte Pumpen sowie ineffiziente Verdichter und Druckluftleckagen gelten als enorme Energiefresser. Dazu kommt die Unsitte, aus Unwissenheit oder Unsicherheit Pumpen zu groß auszulegen. Dadurch arbeiten die Aggregate außerhalb ihres optimalen Wirkungsgrades, müssen gedrosselt werden und verschleißen schneller. Dabei könnte schon die konsequente Nutzung moderner Drehzahlregelungen helfen, allein in Deutschland 7,5 Terawattstunden Energie sowie 4 Millionen Tonnen CO2-Emissionen einzusparen. Durch den geringeren Energieverbrauch geregelter Antriebe, verbesserter Laufradgeometrien oder geringerer Spaltmaße amortisieren sich die Mehrkosten für neue Aggregate.
Dazu kommt die enorme Belastung durch die hohen Energiepreise, der sich vor allem Unternehmen mit einer tiefgehenden Integration vorgelagerter Herstellungsschritte ausgesetzt sehen: Produktionsprozesse wie das Gießen von Maschinenenteilen oder Testläufe großer Pumpen gehen angesichts der Energiebedarfe im Megawatt-Bereich bei enormen Kosten für Strom und Gas massiv ins Geld, warnen Experten – und erinnern daran, dass Industrieunternehmen im Gegensatz zu Verbrauchern nicht von Festpreisgarantien profitieren. Daher sind Energie- und Kostenoptimierung 2023 für die Pumpenhersteller nicht nur Punkte im Lastenheft der Produktentwicklung, sondern stehen auch bei eigenen Herstellungsprozessen im Mittelpunkt.
Welche bestimmende Rolle das Thema Energieeffizienz mittlerweile hat, zeigt auch, dass beispielsweise der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hier das größte Potenzial digitaler Tools sieht. Denn in der Fluidik 4.0 tut sich einiges: Mit der Verwaltungsschale wird das Konzept des Digitalen Zwillings endlich mit Leben gefüllt. Jetzt können Pumpen, Kompressoren, Vakuumpumpen, aber auch vernetzte Armaturen so beschrieben werden, dass diese Informationen für alle am Prozess Beteiligten les- und nutzbar sind. Dazu kommen OPC UA Companion Specifications, die Interoperabilität zwischen Komponenten verschiedener Hersteller sicherstellen sollen.
Auch beim Thema Leckage-Detektion punkten digital unterstützte Lösungen: So kombinieren akustische Kameras Ultraschallsensorik mit optischer Bildgebung, um Lecks an Pipelines oder Druckluftsystemen aufzuspüren. Weiter gehen Hersteller wie FLIR, die die Gasanalytik in sogenannte Gaskameras einbauen. Damit lassen sich Leckagen nicht nur erkennen, sondern das entsprechende Gas gleich bestimmen. Derartige Kameras sind mittlerweile klein genug, um als Handgerät verfügbar zu sein, können aber auch fest installiert zum Einsatz kommen.
Neben effizienten Antrieben und präziser Regelung nutzen immer mehr Anbieter Methoden wie die softwareunterstützte Anomalie-Erkennung, bei der ein Algorithmus die aktuellen Betriebszustände untersucht. Aus diesen Werten kann die Software Prognosen zu künftigen Fehlern oder Anomalien ableiten und entsprechende Maßnahmen vorschlagen. Mit dieser vorausschauenden Instandhaltung oder Predictive Maintenance ließen sich rund 70 % der ungeplanten Anlagenstillstände verhindern, erklärt der VDMA. Selbst bei vergleichsweise simplen Komponenten wie Armaturen und sogar Dichtungen wird der Ruf nach der Integration in das Condition Monitoring lauter – gar nicht so einfach, wenn die notwendige Sensorik etwa auch im Atex-Bereich arbeiten soll. Selbst Gleitringdichtungen schaffen mit Produkten wie EagleBurgmanns drahtlosen Smart-Seal-Sensoren den Sprung in die digitale Welt
Denn gerade beim Umgang mit explosiven oder umweltgefährdeten Stoffen sind Betreiber immer weniger bereit, ein Risiko hinzunehmen. Daher sind etwa dichtungsfreie magnetgekuppelte Pumpen heiß begehrt, vor allem weil Hersteller wie Richter Chemie-Technik diese mit medienberührenden Teilen oder Auskleidungen aus PFA oder PTFE liefern. Da Magnetkraft jedoch nur ein gewisses Drehmoment übertragen kann, ist manchmal eine durchgehende Welle unerlässlich – und die geht noch dichter, etwa mit leckagefreien Gleitringdichtungen von EagleBurgmann. Die stickstoffgespülten Abdichtlösungen kommen bei Kompressorstationen für Erdgaspipelines zum Einsatz, wo sie den Austritt klimaschädlichen Methans verhindern.
Natürlich sind Pumpe & Co. auch gefragt, wenn es um die Energie- und Rohstoffwertschöpfungsketten von morgen geht: So stellt Wasserstoff als kleinstes Molekül des Periodensystems besondere Anforderungen an Pumpen und Verdichter. Das Gas ist sehr flüchtig, kann in das Kristallgitter metallischer Werkstoffe eindringen und dort zur Wasserstoffversprödung führen.
Entsprechend genau gilt es, bei den verwendeten Komponenten von der Pumpe bis zur Armatur hinzusehen: Immerhin sind Anforderungen wie konkrete Werkstoffe und Oberflächengüten häufig nicht im Detail festgelegt. Deshalb greifen Pumpenhersteller wie KSB derzeit auf ihre Expertise mit „klassischen“ Wasserstoffprojekten aus der Chemieindustrie zurück, auch wenn noch nicht jedes Detail klar ist. So bemängeln die Entwickler etwa, dass Fragen rund um den hydraulischen Abgleich oder die Fahrweise bei Pumpen in unterschiedlichen Wasserstoffprozessen noch offen sind.
Das betrifft etwa auch die Größe künftiger Wasserstoff-Projekte: Während die aktuell typischen modularen Containeranlagen rund 10 m³ pro Stunde produzieren, steigt dieser Wert bei großen World-Scale-Anlagen auf 800 m³ und mehr – ebenso der Betriebsdruck, der zwischen 6 und 40 bar liegen kann. Je nach Größe werden hier dichtungslose Chemienormpumpen, Membranventile oder Absperrklappen aus korrosionsbeständigem Material bzw. mit entsprechenden Beschichtungen eingesetzt.
Ebenfalls auf der Agenda der Pumpenexperten: Verfahren zur CO2-Abscheidung und Nutzung bzw. Einlagerung (CCS bzw. CCSU). Hier müssen Pumpen ein breites Anwendungsspektrum abdecken, schnell einsatzbereit sowie für sehr hohe Drücke und hohe Temperaturen geeignet sein, erklären die Hersteller. Dazu kommen die Anforderungen des Mediums CO2, wie die Flüchtigkeit – Kohlendioxid liegt bei Umgebungsdruck als Gasphase vor – die eine geeignete Abdichtung erforderlich macht.
Doch diese Herausforderungen lassen sich lösen: Das zeigen die Kolonneneinbauten für die Aminwäsche, die Fluidikspezialisten wie Sulzer für große Demonstrationsprojekte zur CO2-Abscheidung liefern, genauso wie die Hochdruckpumpen und Armaturen – etwa doppelt exzentrische Absperrklappen, käfiggeführte Einsitz-Regelventile und Membranventile – die unter anderem KSB für die Förderung von flüssigem CO2 anbietet. Geht es um das Einpressen von Kohlendioxid oder Schwefelwasserstoff, setzt etwa Lewa auf Membranpumpen, da vor allem das giftige H2S angesichts seines hohen Dampfdrucks bei schlechten Schmiereigenschaften schwierig zu fördern ist.
Und dann wäre da noch LNG: Das Flüssiggas soll kurzfristig Europas Energiehunger stillen und die weggefallenen Lieferungen aus Russland kompensieren. Mit 27 Milliarden Dollar weltweit fließt im Jahr 2022 mehr als zehnmal so viel Geld wie im Corona-Jahr 2020 in Gasprojekte und Terminals. Dazu gehört auch die entsprechende Fluidik, vor allem, weil die extremen Bedingungen des tiefkalten Mediums leistungsfähige Komponenten erfordern.
So werden für Gasterminals und -Tankstellen Kryo-Pumpen und -Armaturen genauso benötigt wie bei der Schiffsbetankung. Dabei müssen die Bauteile Temperaturen von unter -160 °C standhalten sowie die beim Verdampfen entstehenden explosiven Dämpfe sicher absperren. Dafür werden ein- oder mehrstufige Kreiselpumpen eingesetzt, wobei aufgrund der extremen Bedingungen dichtungslose Konstruktionen wie Spaltrohrmotorpumpen besser geeignet sind.
Zugleich stellen Ex-Schutz und Atex-Zertifizierungen aus gutem Grund hohe Ansprüche an die verwendeten Komponenten, und gerade die Regasifizierung von LNG braucht mit ihren Extremdrücken geeignet Sicherheitsventile. Bei fluktuierenden Förderleistungen eignen sich auf niedrigviskose Medien abgestimmte Seitenkanalpumpen zum Beispiel von Sero Pump Systems mit großen Drehzahlbereichen. Mit den passenden Komponenten – und mit einer zunehmend vernetzten und digital unterstützten Produktion – ließen sich Betrieb und Instandhaltung auf Effizienz trimmen und mit weniger Personal fahren, sind sich die Fluidik-Experten sicher.
Denn die Sorge, ob in Zukunft genügend Fachkräfte zu Verfügung stehen und Unternehmen diese auch bezahlen können, hat inzwischen auch die Prozessindustrie erreicht. Vor allem im personalintensiven Service-Geschäft, aber auch in der Fertigung und zunehmend der Entwicklung beklagen immer mehr Unternehmen die Schwierigkeit, Stellen zu besetzen. Zwar stieg zuletzt die Anzahl der Beschäftigten im Maschinenbau leicht um 1,7 % auf insgesamt 1,02 Millionen an, trotzdem geht der VDMA von 1.400 unbesetzten Stellen bei seinen Mitgliedsunternehmen aus.
Tatsächlich bezweifelt niemand, dass es auch in Zukunft Pumpen, Armaturen, Stellantriebe und Druckluftkomponenten braucht. Allein mit Industriepumpen werden weltweit Jahr für Jahr rund 70 Milliarden Dollar umgesetzt – ein Wert, der dem Doppelten des BIP von Estland entspricht. Ob aber diese auch in Zukunft so zuverlässig und sicher sind wie heute, ist – zumindest in Europa – keineswegs ausgemacht: Das geplante Verbot der sogenannten Ewigkeitschemikalien bzw. PFA (per- und polyfluorierte Chemikalien) der EU umfasst nämlich viel mehr als Outdoorkleidung, Kosmetika, Teflonpfannen oder Pestizide. Der Verbotsvorschlag der ECHA nimmt alle Substanzen ins Visier, die mindestens eine CF2- oder CF3-Gruppe enthalten. Auch FKM und andere fluorierten Elastomerkunststoffe wie PTFE, FFKM, FEPM, PFA oder FEP sind per Definition PFAS und damit ab 2026 voraussichtlich verboten.
Damit könnten einige der wichtigsten Materialien für Dichtungen vom Markt verschwinden. Käme dieses Verbot wie angedacht, wären die Folgen dramatisch: Derzeit gibt es keine alternativen Materialien, die anstelle der PFAS-Dichtungen treten könnten. Die Folgen für Industrie und Gesellschaft wären erheblich: Laut Schätzungen wäre rund 80 % der industriellen Produktion betroffen. Und nicht nur das: Auch die Wasser- und Energieversorgung sowie der Gesundheitssektor bekämen massive Probleme. Deswegen erwarten Insider, dass das Gesetz – wenn überhaupt – nur in abgeschwächter Form in Kraft treten könnte. Dass die ECHA einen kompletten Rückzieher macht, gilt allerdings als quasi ausgeschlossen. Egal wie es in der PFAS-Frage weiter geht, ignorieren kann die Fluidik das Thema auf keinen Fall.
Den Hersteller bleibt nur die Flucht nach vorne: Mit einem diversifizierten Angebot wollen sich die Zulieferer unabhängiger von der Chemieindustrie machen. Doch auch dafür wird es Innovationen und Ideen brauchen, die über die – mittlerweile weitgehend ausentwickelte – Fluidik hinaus gehen. Dazu gehören digitale Services genauso wie kundenspezifische Lösungen, um nah am Kunden markt- und regulatorische Anforderungen bedienen zu können.
Energiepreisschock, stockende Lieferketten und Ukraine-Krieg: Es läuft nicht richtig rund für Europas Industrie. Da kommt es fast schon einem kleinen Wunder gleich, dass der deutsche Maschinen- und Anlagenbau-Verband VDMA davon spricht, dass 2022 für die Hersteller von Pumpen, Armaturen und Strömungstechnik „viel besser als erwartet“ lief. Das kann allerdings viel bedeuten: Die reinen Zahlen aus dem VDMA-Bericht „Pumpen und Kompressoren für den Weltmarkt 2023“ zeigen trotz des zur Schau getragenen Optimismus rückläufige Aufträge (-3 %) und Umsätze (-2 %) gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig löst sich langsam der in den Corona-Jahren aufgebaute Auftragsstau auf – was für die Betreiber ein Vorteil ist, bedeutet für die Zulieferer auf neue Auftragseingänge angewiesen zu sein.
Dabei kommt ein „weiter wie bisher“ immer weniger infrage: Nicht einmal bisher so verlässliche Absatzmärkte wie China konnten das enorme Tempo halten, scheint es. Während das Reich der Mitte wieder vermehrt Pumpen nachfragt (+8 %), drängen immer mehr chinesische Anbieter mit hochwertigen Produkten auf den deutschen und europäischen Markt. So nahmen die Pumpenimporte nach Deutschland um satte 12 % zu. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch für die Drucklufttechnik, wobei hier die Exporte nach China um 17, die Importe um 14 % stiegen.
Übertrafen in den Vorjahren die Auftragseingänge die tatsächlich erzielten Umsätze – ein typischer Indikator für Lieferschwierigkeiten – relativieren sich diese nach und nach. Standardteile wie Blenden oder Bleche sind meist wieder am Markt verfügbar, Elektronikkomponenten wie Chips oder Halbleiter bleiben jedoch Sorgenkinder. Dass trifft weniger die Hersteller von Kugelhähnen und Absperrklappen, aber durchaus die Antriebslieferanten – Vor allem, da der Trend zu Digitalisierung, Vernetzung und Modularisierung ungebrochen ist. So nutzen Firmen wie beispielsweise Samson die Möglichkeiten der Erweiterung des Ethernet-Standards um das Advanced-Physical-Layer (Ethernet-APL) dafür, Stellungsregler mit einer Ethernet-gestützten Profibus-Kommunikation mit integrierter Ventildiagnose auszurüsten.
Solche Zusatzintelligenz funktioniert aber nur, wenn die begehrten Elektronikbauteile, allen voran Halbleiter, auch zeitnah lieferbar sind. Mit einer Entlastung rechnen Experten nicht vor Ende 2023. Das stellt vor allem Pumpenhersteller vor Herausforderungen, die große Hoffnungen in die Integration ihrer Aggregate in cyber-physikalische Systeme setzen.
Denn daran, dass die Fluidik der Zukunft sich über die bloßen Komponenten wie Pumpen oder Kompressoren hinaus in Richtung digital unterstützter Systemlösungen entwickelt, besteht kaum ein Zweifel. Ob in Zukunft eine KI bei der Auslegung von Pumpen hilft, Algorithmen die zustandsorientierte Instandhaltung ermöglichen oder Medientrasnfer als Abo (‚Pump as a service‘) die bisherigen Geschäftsmodelle ergänzen, eine Zukunft ohne Pumpen, Armaturen oder Verdichter ist unvorstellbar.
Autor
Redakteur PROCESS, Vogel Communications Group GmbH & Co. KG
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Die ACHEMA ist das Weltforum für chemische Technik, Verfahrenstechnik und Biotechnologie. Alle drei Jahre findet die globale Leitmesse der Prozessindustrie in Frankfurt am Main statt. Das Spektrum umfasst von Laborausrüstung, Pumpen und Analysegeräten über Verpackungsmaschinen, Kessel und Rührer bis zu Sicherheitstechnik, Werkstoffen und Software alles, was in der chemischen Industrie, der Pharma- und Lebensmittelherstellung benötigt wird. Der begleitende Kongress ergänzt die Themenvielfalt der Ausstellung mit wissenschaftlichen Vorträgen und zahlreichen Gast- und Partnerveranstaltungen. Die nächste ACHEMA findet vom 10. bis 14. Juni 2024 in Frankfurt am Main statt.
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