Pharma Innovation
03.05.2021 | Die Messe
Monoklonale Antikörper sind derzeit eines der am stärksten wachsenden Felder in der Pharmazeutik. Doch sie sind sehr teuer – pro Jahr und Patient kann die Behandlung bis zu 100.000 Euro kosten. Ein Grund: Die Aufreinigung ist aufwändig. Das in Gründung befindliche Unternehmen Lumatix Biotech will eine kostengünstige Alternative anbieten.
Zahlreiche Medikamente, die derzeit zur Behandlung so unterschiedlicher Erkrankungen wie Krebs, Autoimmunerkrankungen oder Infektionskrankheiten zugelassen werden, basieren auf monoklonalen Antikörpern – erkennbar an der Endung „mab“ der Wirkstoffe. Diese Wirkstoffklasse ist deshalb so breit einsetzbar, weil sie sehr selektiv an molekulare Strukturen binden. Doch ihre Gewinnung ist immer noch sehr aufwändig: Nach der biotechnologischen Produktion müssen die Antikörper über mehrere Stufen isoliert und aufgereinigt werden. Der erste Schritt ist dabei häufig eine Protein-A-Chromatographie, bei der die Antikörper an eine Protein-A-bestückte Säule binden und so aus dem Kulturüberstand isoliert werden. Dann werden die gebundenen Antikörper gewaschen und schließlich durch einen sauren Elutionsschritt aus der Säule gespült. Gerade diesen letzten Schritt vertragen die Antikörper aber häufig nicht – manche verlieren Teile ihrer biologischen Funktion, andere werden vollständig zerstört.
„Um dieses Problem zu adressieren, entwickelt Lumatix Biotech eine neue Affinitätsmatrix zur Isolierung von Antikörpern, welche mit Licht gesteuert werden kann“, erklärt Gründer Andreas Reichert. „Ähnlich der etablierten Isolierungsmethode wird der Antikörper spezifisch durch einen immobilisierten Proteinliganden an der Matrix gebunden. Die innovative Affinitätsmatrix von Lumatix lässt sich allerdings ohne Einsatz von Chemikalien rein physikalisch zwischen den Modi „Adsorption“ und „Desorption“ umschalten – einfach durch das Einstrahlen von Licht unterschiedlicher Wellenlängen. Diese außergewöhnliche Eigenschaft wird durch einen lichtsensitiven Liganden ermöglicht, dessen Affinität zu Antikörpern mit Licht moduliert werden kann.“
Daraus ergeben sich gleich mehrere Vorteile: Indem ein physikalischer „Trigger“ genutzt wird statt der Säure, kann ein besonders schonender Puffer frei gewählt werden. Damit können mit dieser Methode auch Antikörper gewonnen werden, die die bisher notwendigen harschen Bedingungen nicht vertragen. Außerdem kann die Matrix, wenn die Antikörper ausgespült sind, direkt zurück in den Adsorptionsmodus geschaltet werden. Eine Regeneration durch einen Pufferwechsel ist nicht mehr nötig – so lässt sich die Produktivität der Säule erheblich steigern. Und weil nur ein Laufpuffer benötigt wird und von diesem auch deutlich weniger, lassen sich Kosten weiter reduzieren.
Die Idee für diese Technik entwickelte Andreas Reichert während seiner Promotion an der TU München: „In meiner Zeit als Doktorand nahm ich einen Vortrag von Professor Dirk Trauner teil, welcher ein lichtschaltbares Propofol-Derivat – ein Narkotikum - vorstellte. In einem Video waren Kaulquappen zu sehen, welche in einem Bad mit einer geringen Konzentration des Propofol-Derivats zunächst betäubt wurden. Die anschließende Bestrahlung mit violettem Licht dagegen hatte promptes Erwachen zur Folge - die Tiere bewegten sich aber nur so lange wieder, wie das Licht an blieb: Im Dunkeln fielen sie erneut in Narkose. Zu dieser Zeit stand ich sehr viel im Labor und musste fast täglich rekombinant hergestellte Proteine durch Affinitätschromatographie reinigen. Die während der Chromatographie eingesetzten Substanzen waren recht teuer und mussten anschließend wieder vom Protein abgetrennt werden. Die nachfolgenden Reinigungsschritte waren aufwendiger als die Affinitätschromatographie selbst. Als ich die „lichtgesteuerten“ Kaulquappen sah, schoss mir sofort die Idee in den Kopf, das Prinzip eines externen Lichtstimulus auf die Affinitätschromatographie zu übertragen.“
Die Motivation, aus der Idee gemeinsam mit seinen beiden Mitgründern Fabian Rodewald und Christopher Graf ein Unternehmen zu formen, wird aus mehreren Erwägungen gespeist: „Als Unternehmer kann man seine Vorstellungen eines Produktes realisieren. Der Markt entscheidet dann, ob es ein Erfolg wird oder auch nicht. Gründer bzw. Unternehmer zu sein bedeutet immer, offen für Innovationen und Veränderungen zu sein. Und jede Minute, die man in sein eigenes Unternehmen investiert, ist ein Gewinn“, sagt Andreas Reichert. Das trägt das Team auch über Hürden wie die Adaption der Technologie an die Anforderungen des Marktes.
Vom ACHEMA-Gründerpreis erhofft sich das Team noch mehr Sichtbarkeit in der Branche. „Der Bekanntheitsgrad unserer Technologie soll gesteigert und unser Netzwerk weiter ausgebaut werden. Wir sind auf der Suche nach Kooperationspartnern, mit welchen wir zusammen maßgeschneiderte lichtschaltbare Proteine entwickeln. Dadurch wollen wir neue Anwendungen schaffen und/oder etablierte Anwendungen neu gestalten. Wir begrüßen Investoren, mit uns zusammen die unternehmerische Vision von Lumatix Biotech umzusetzen.“
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